In Österreich ist jede Arbeitgeber*in ab 25 Dienstnehmer*innen Größe dazu verpflichtet, eine bestimmte Anzahl behinderter Personen einzustellen. Das ist die Beschäftigungspflicht nach § 1 Abs. 1 Behinderteneinstellungsgesetz1.

Wenn gegen diese Vorschrift verstoßen wird, das heißt, wenn weniger behinderte Menschen eingestellt werden, als vorgesehen, müssen die Dienstgeber*innen einen bestimmten Betrag bezahlen, die sogenannte Ausgleichstaxe.

Lange war es geradezu ein Staatsgeheimnis, welche Unternehmen ihre Beschäftigungspflicht nicht erfüllen. Das für die Berechnung und Erhebung der Ausgleichstaxe zuständige Sozialministeriumservice hat sich kategorisch geweigert, Informationen darüber zu zur Verfügung zu stellen. Die Zeitschrift andererseits hat eine Liste veröffentlicht, die ihnen zugespielt wurde. Ansonsten - Stille. Das Sozialministeriumsservice hat lediglich einige statistische Daten veröffentlicht, etwa wie viel die Ausgleichstaxe insgesamt pro Jahr ausmacht.

Ich habe diese Liste jetzt auf offiziellem Weg bekommen. Zumindest einen Teil davon. Nämlich alle privaten Dienstgeber*innen ab 250 Arbeitnehmer*innen, und sämtliche staatliche Arbeitgeber*innen.

In der Praxis hat sich dadurch ein System entwickelt, das weniger auf Integration als auf Kompensation setzt. Viele Betriebe scheinen sich bewusst für die Zahlung der Taxe zu entscheiden, anstatt Arbeitsplätze barrierefrei zu gestalten, Personalstrukturen zu verändern und schließlich behinderte Menschen einzustellen. Die Ausgleichstaxe wird damit zu einem kalkulierbaren Kostenfaktor, zu einer Kostenstelle für unterlassene Inklusion. Das alles war auch dadurch möglich, dass niemand Einsicht in die Zahlen hatte.

Aber nun sind sie zugänglich, und es zeigt sich, dass der Median aller privaten Dienstgeber*innen (mit über 250 Dienstnehmer*innen) die Einstellungspflicht nur zu 62 % erfüllt. “Privat” heißt in diesem Kontext allerdings nicht nur privatwirtschaftlich, sondern es ist auch die Privatwirtschaftsverwaltung der öffentlichen Hand (wie etwa im Zuge der Wiener Netze und anderer Übertragungsnetzbetreiber, Universitäten, ausgelagerten Dienstellen, das Bundesrechenzentrum, Sozialversicherungsträgern, Museen, …) mitgemeint - diese erfüllen ihre Beschäftigungspflicht in der Regel zu einem höheren Grad und beeinflussen daher den Median.

Dass diese Zahlen jetzt überhaupt öffentlich geworden sind, ist dem Druck von jahrelanger journalistische Beharrlichkeit und jetzt schlussendlich dem Informationsfreiheitsgesetz zu verdanken. Es stellt sich die grundsätzliche Frage: Warum sollte eine Gesellschaft nicht wissen dürfen, welche Unternehmen ihre sozialen Verpflichtungen umgehen?

Die Offenlegung ist ein Anfang. Wenn sichtbar wird, wer Verantwortung übernimmt, und wer nicht, kann öffentlicher Druck entstehen, der stärker wirkt als jede Zahlungsverpflichtung. In einer modernen Arbeitswelt sollte Inklusion kein Kostenpunkt, sondern ein Selbstverständnis sein.

Du kannst die Liste so wie ich sie bekommen habe hier herunterladen und dir ein eigenes Bild machen, oder du liest weiter und schaust dir meine Grafiken an. Die Verfahren für das Jahr 2024, welches die Liste betrifft, sind noch nicht alle abgeschlossen. Daher ist die Liste noch nicht ganz vollständig. Sobald ich die ganze Liste habe, wird sie hier verlinkt werden.

Bitte beachte bezüglich der Grafiken auch den Disclaimer am Ende.

Namen… Namen… Namen… #

Grafiken sind hübsch, wer mag sie nicht? Aber wir wollen auch die Namen wissen. Finde hier deine*n Arbeitgeber*in.

(Ich habe das Caching noch nicht ganz im Griff. Wenn du eine Fehlermeldung siehst, lade die Seite einmal neu.)

Ein Überblick #

Es gibt nicht wirklich ein Muster. Kein Bundesland sticht hervor, keine Branche, keine Unternehmensgröße. Einzig dass es in Wien viele Betriebe gibt ist auf den ersten Blick sichtbar, aber wenig überraschend. Die Größe der Kreise zeigt die Anzahl der Unternehmen in dieser Kategorie, die Farbe das Bundesland und die Position die Erfüllung der Quote im Median im Vergleich zur Unternehmensgröße.

Branchen #

Wie schaut es in den verschiedenen Länder in den verschiedenen Branchen aus?

Bundesländer #

Und in die andere Richtung - was machen die Branchen pro Bundesland?

Bei den Branchen und Bundesländern sehen wir, dass es fast immer und überall Dienstgeber*innen gibt, die ihre Verpflichtung voll erfüllen, und auch solche, die überhaupt keine behinderten Personen einstellen.

Öffentlicher Dienst #

Der öffentliche Dienst sollte eine Vorbildrolle einnehmen, wenn es um die Rechte von Arbeitnehmer*innen geht. Doch tut er das wirklich? Schauen wir uns das näher an.

Länder und ihre Hauptstädte #

Die Städte und die Bundesländer stehen ganz gut da. Alle Landeshauptstädte erfüllen ihre Pflicht. Außer die Stadt Wien und Eisenstadt (welche auf nicht einmal 50 % kommt). Bei den Bundesländern sieht es ähnlich aus, alle bis auf Salzburg und Vorarlberg erreichen 100 %.

Bildung, Wissenschaft und Forschung #

Universitäten und Fachhochschulen sollen Orte der Bildung sein, die allen Personen offen stehen. Die Realität zeigt jedoch ein trauriges Ergebnis. Gerade einmal die Hälfte der Universitäten schafft es, auf 50 % Erfüllungsquote zu kommen. Die vier größten Universitäten in Österreich nach Studierendenanzahl sind die Universität Wien, die Universität Graz, die Universität Innsbruck und die Technische Universität Wien. Graz erfüllt die Quote zu 100 %, Innsbruck zu 75 %. Und dann die Universität Wien: Sie schafft gerade 33 %. Auch die TU Wien kommt nur auf 34 % und steht damit kaum besser da.

Die Fachhochschulen gewinnen ebenfalls keinen Inklusionspreis. Keine einzige hat 100 % erreich, am meisten die FH Vorarlberg mit 86 %. Am anderen Ende finden wir die FH Salzburg mit traurigen 13 %.

In der außeruniversitären Forschung habe ich auch rein private Unternehmen in die Grafik aufgenommen, um einen besseren Vergleich zu bieten.

Der Rest #

Der öffentliche Dienst ist mehr als Universitäten und Verwaltung. Eine Unzahl an Stellen, die Leuten für gewöhnlich nicht in den Sinn kommen, wenn sie “öffentlicher Dienst” hören, fallen ebenfalls darunter. Das sind etwa das Bundesrechenzentrum, die Bundesmuseen, das Umweltbundesamt, die Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten, Krankenhäuser, die ÖBB, die Wiener Linien, die Betreiber der Stromnetze und die Kammern.

Finanzdienstleister #

Eine Branche mit traditionell viel Geld ist die der Banken und Versicherungen. Die meisten Banken und Versicherungen erfüllen ihre Beschäftigungspflicht - im Medien besser als die Universitäten. Was es bei den Universitäten nicht gibt, ist 0 %. Hier gibt es das. Muss das sein?

Religiöses #

Auch ein großer Arbeitgeber in Österreich ist die römisch-katholische Kirche. Doch wie sieht es hier und bei anderen Religionsgemeinschaften mit der Nächstenliebe aus, wenn es um behinderte Menschen geht? Erstaunlich gut.

Disclaimer #

Die Excel Datei mit den Daten ist genau so, wie ich sie bekommen habe. Für die Grafiken musste ich die Daten normalisieren und in eine Datenbank einspielen. Aus der habe ich dann die Grafiken erstellt. Ich habe natürlich danach geprüft, ob alles stimmt, ich habe aber vorher noch nie mit dieser Grafikbibliothek gearbeitet, daher können sich Fehler eingeschlichen haben. Für diese übernehme ich keine Verantwortung - wenn du die Daten verwenden willst, nimm die Exceldatei.

Ich habe einige Namen verändert, um sie besser darzustellen und Bezeichnungen zu vereinheitlichen. Die Liste mit den originalen Namen und unter welcher sie in der Datenbank stehen kannst du hier herunterladen.

Manche Orte und Postleitzahlen unterscheiden sich zwischen der Liste des Sozialministeriums und der offiziellen Liste der Postleitzahlen bzw. dem Firmenbuch. Manche Orte haben mehrere Postleitzahlen oder teilen sich welche. Was ich wo zugewiesen habe, kannst du hier einsehen

Da die Auskunft für die Privatunternehmen nur jene mit mehr als 250 Dienstnehmer*innen enthält, gibt es in den Daten zwei Kategorien in dem Bereich, 250-299 und 200-299 Dienstnehmer*innen. Alle Unternehmen aus dem Bereich 250-299 wurden für die Grafiken dem Bereich 200-299 zugeordnet.

Datenquellen #

Daten über die Quotenerfüllung: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen – Sozialministeriumservice
Postleitzahlen: CC BY 4.0 RTR-GmbH – data.rtr.at
Firmenbuchdaten (scheinen noch nicht auf, das kommt noch): CC BY 4.0 Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Justiz