In Österreich haben wir ein Auskunftpflichgesetz, welches besagt dass “Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung (…) über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen [haben], soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.” Selbiges steht uns auch Art. 20 (4) B-VG zu:

Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache.

Für den Fall einer vollständigen oder teilweisen Nichterteilung hat man außerdem das Recht auf einen Bescheid (§ 4 Auskunftspflichtgesetz), den man dann vor einem Gericht bekämpfen kann. Gemäß § 3 Auskunftspflichtgesetz ist die Auskunft unverzüglich, spätestens jedoch binnen acht Wochen zu erteilen. Mit dieser Grundlage bekomme ich ab und zu Auskünfte von diversen Behörden (und ab und zu auch nicht).

Durchsuchungen von Personen #

Organe der Polizei sind in bestimmten Fällen ermächtigt, Personen zu durchsuchen (z.B. § 119. (2) StPO). Nach § 31. (2) Z 6 SPG hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen, welche vorzusehen haben, dass Durchsuchungen durch Personen desselben Geschlechts vorzunehmen sind. Dieser Verpflichtung ist der Bundesminister für Inneres durch § 5. (3) RLV nachgekommen, wobei er auch einen Arzt als berechtige Person anführt. Selbiges wird in § 121. (3) StPO festgelegt. Es gibt noch einige andere relevante Vorschriften, das sind nur Beispiele.

Beantragte Auskunft #

Diese Anfrage habe ich im Auftrag von Venib - Verein Nicht-Binär gestellt; demnach agiere ich als Social Watchdog im Sinne der VwGH Erkenntnis Ra 2017/03/0083-6. Eine Verweigerung der beantragten Auskunft wäre daher nur nach den in vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Magyar Helsinki festgesetzten Kriterien (EGMR [Große Kammer] 8.11.2016, Magyar Helsinki Bizottság vs. Hungary, 18030/11) zu beurteilen und nur rechtmäßig, wenn sie “in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und verhältnismäßig” ist.

Folgende Fragen habe ich gestellt:

  1. Wie wird das Geschlecht der zu durchsuchenden Person festgestellt?
  2. Welche Relevanz kommt der Geschlechtsangabe jeweils
    1. der Person,
    2. des Ausweisdokumentes sowie
    3. des Personenstandsregisters bei der Exekution dieser Regelung zu?
  3. Als einzige Ausnahme von der Pflicht des gleichen Geschlechts wird in der RLV angeführt, dass die Verzögerung eine Person des entsprechenden Geschlechts “zu beschaffen” geeignet ist, dass diese den Zweck der Durchsuchung gefährden würde. Wie ist diese Verzögerung definiert?
  4. Die RLV und die StPO enthalten keine Regelung zur Durchsuchung durch einen Arzt oder Wahrung der Würde. Wie ist bei der Durchsuchung einer Person, deren Geschlecht nicht männlich oder weiblich ist, vorzugehen, wenn es bei den Sicherheitskräften keine Person desselben Geschlechts gibt?
  5. Wie ist damit umzugehen, wenn unterschiedliche Geschlechtsangaben nicht zusammenpassen, insbesondere:
    1. Wenn das Geschlecht im Ausweisdokument und das „wahrgenommene” Geschlecht nicht übereinstimmen?
    2. Wenn das Geschlecht im Ausweisdokument nicht zum Personenstand passt (z.B. weil die Änderung so kürzlich erfolgt, dass noch kein neues Ausweisdokument beantragt werden konnte oder ausgestellt wurde)?
    3. Wenn das Geschlecht der Person (lt. Selbstauskunft) nicht zum Ausweisdokument passt?
    4. Wenn kein Ausweisdokument mitgeführt wird?
  6. Weiters bitte ich um Übermittlung der relevanten Auszügen zu Dienstanweisungen, die dieses Thema betreffen.

Outcome #

Viel habe ich noch nicht bekommen. Das BM.I sowie die Landespolizeidirektion Wien hüllen sich in Schweigen, die anderen acht Landespolizeidirektionen haben mir jeweils den exakt gleichen Text als RSa an mein Postfach geschickt (was weder rechtlich zulässig, noch von Seiten der Post überhaupt möglich ist):

Bezugnehmend auf Ihr Schreiben von 09.03.2023 darf höflichst um Präzisierung ersucht werden, ob Sie diese Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz als Privatperson oder als Vertreter des Vereins Venib - Verein Nicht-Binär - stellen. Sollte es sich um eine Anfrage des Vereins Nicht-Binär handeln, in dessen Namen Sie stellvertretend auftreten, darf um Übermittlung einer Vollmacht des durch die Vereinsstatuten legitimierten Vertretungsorgans ersucht werden. Ohne diese Informationen kann von ho Behörde eine weitere Bearbeitung nicht erfolgen.

Ich habe schon ziemlich viele solche Anfragen gestellt (mehr als 20), aber so etwas ist mir ehrlicherweise noch nie passiert. Inzwischen habe ich die Vollmacht übermittelt.