Wie wir wissen, hat das Verwaltungsgericht Wien durch seine Erkenntnis die Änderung meines Geschlechtseintrages im Zentralen Personenstandsregister angewiesen. Mit meiner neuen Geburtsurkunde habe ich dann verschiedene Firmen und Behörden, welche Daten von mir verarbeiten, angewiesen, meine Daten zu ändern. Für manche Stellen ist das völlig überraschend gekommen, so als hätte der Verfassungsgerichtshof nicht schon 2018 zu Recht erkannt, dass das möglich sein muss1. Da ich das als DSGVO Änderungsbegehren formuliert hatte, habe ich in weiterer Folge gegen manche dieser Stellen Beschwerden bei der Datenschutzbehörde erhoben. Im Rahmen dieses Verfahrens hat auch die Beschwerdegegnerin Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben. Um eine davon geht es hier. Und das ist die Stellungnahme der ÖBB-Tochterfirma hinter “Rail & Drive”, der Rail Equipment GmbH & Co KG.
Durch ihre Anwaltskanzlei haben sie einige interessante Punkte aufgebracht, über die werde ich jetzt hier reden, und auch über meine Antworten dazu. Der Großteil der Argumentation gründet sich darauf, dass “unbekannt” und “divers” angeblich im allgemeinen Sprachgebrauch Synonyme sind, und die Änderung daher auf einen sachlich korrekten Eintrag geändert wurde. Der allgemeine Sprachgebrauch ist für die sachliche Richtigkeit der Daten aber nicht relevant.
Generell geht Argumentation am Thema vorbei, da sie sich viel darauf bezieht, welche Einträge aus Sicht der Personenstandsbehörde zulässig sind und welche nicht, und wie die ÖBB meine Geschlechtsidentität interpretiert. Welche Begriffe aus Sicht der Personenstandsbehörden dafür zulässig sind (oder nicht) ist aber gar nicht Gegenstand der Sache, sondern die sachliche Unrichtigkeit der Daten, welche zweifelsfrei durch die Weigerung des ÖBB, meinen Eintrag auf den gerichtlich festgelegten Inhalt zu berichtigen, gegeben ist. Es ist auch weder Aufgabe der ÖBB noch der Datenschutzbehörde in weiterer Folge, meine Geschlechtsidentität zu beurteilen, dafür Synonyme zu finden oder diese abzuwandeln, und dies ist auch nicht notwendig oder angebracht. Durch meine Antwort liegt der Ball jetzt wieder bei der Datenschutzbehörde.
Ganz am Anfang wird mir mitgeteilt, dass die ÖBB sich keinesfalls geweigert hätten, meinen Eintrag anzuüassen. Vielmehr haben sie sofort reagiert, und meinen Datensatz dahingehend angepasst, dass mein Geschlecht jetzt “unbekannt” lautet, weil keine anderen Einträge als “männlich”, “weiblich” und “unbekannt” zur Verfügung stehen. Damit sind sie meinem Änderungsauftrag ihrer Meinung nach nachgekommen, weil ich das ja beantragt hätte (was ich nicht habe). Als Argument, warum die Änderung nicht möglich ist, wird angeführt, dass die ÖBB einer Ausschreibungspflicht unterliegen, und daher nicht so ohne weiteres die Software dahingehend verändern kann, dass es möglich wäre. Dafür hatten sie aber mehr als fünf Jahre Zeit. Erwähnt wird auch, dass seit dem nur noch geschlechtsneutrale Anreden in den Schreiben an mich verwendet werden. Das ist zwar gut, aber nicht das selbe. Eine geschlechtsneutrale Anreden ist eine Auswahlmöglichkeit, die neben den Anreden “Herr” und “Frau” zur Verfügung stehen muss, sofern geschlechtsspezifische Anreden benutzt werden. Im konkreten Fall wird aber nicht (nur) die Anrede, sondern das Geschlecht verarbeitet. Eine Anrede kann passend oder unpassend sein. Ein Geschlechtseintrag ist aber jedenfalls richtig oder falsch. Interne Umsetzbarkeit bedingt keine zulässige Einschränkung meiner Grundrechte.
Weiters wird dann behauptet, dass entgegen meiner Meinung, die Änderung auf “unbekannt” völlig ausreichend ist, um meinem Antrag gerecht zu werden. Ich hätte kein Recht darauf, dass die Bezeichnung aus dem Personenstandsregister übernommen wird, und andere Bezeichnungen werden dadurch nicht unrichtig. Meiner Meinung dahingehend ist, dass die Änderung meines Geschlechtseintrages im Personenstandsregister sehr wohl dazu führt, dass andere Bezeichnungen unrichtig sind. Würde das System nur “männlich” zulassen, mein Geschlecht aber weiblich sein, oder würde ich zwischen einem der binären Geschlechter wechseln und das System dies nicht abbilden können, wäre der Eintrag ebenso unrichtig.
In der Meinung der ÖBB ist jede Eintragung, die meine individuelle Geschlechtsidentität adäquat zum Ausdruck bringt, zulässig. Dem würde ich sogar zustimmen, hätte ich “unbekannt” als Eintrag gewählt. Hier hat sich die ÖBB ein Bezeichnung ausgesucht, mir die zugeschrieben, und behauptet jetzt, dass diese meiner individuellen Geschlechtsidentität adäquat wird.
Art. 8 EMRK erlaubt laut der ÖBB keine beliebige Wahl des Geschlechtseintrages, wie auch der VfGH dargelegt hätte. Es wäre nur notwendig, dass die Bezeichnung im allgemeinen Sprachgebrauch das Gemeinte richtig zum Ausdruck bringt. Auch wenn Art. 8 EMRK es eventuell nicht erlaubt, den Eintrag frei zu wählen, ist “divers” einer der Einträge die vom VfGH für als jedenfalls zulässig bestimmt wurden. “Unbekannt”, auf das mein Geschlechtseintrag durch die BG geändert wurde, wurde vom VfGH hingegen nicht als zulässig aufgeführt. Da laut der Beschwerdegegnerin ja keine beliebige Wahl des Eintrages zulässig sein soll, finde ich es nicht logisch, dass sie sich jetzt einen Begriff aussuchen können soll. Ich habe auch keinen willkürlichen Eintrag gewählt, sondern einen von denen vom VfGH für zulässig erachteten, diesen hat die Personenstandsbörde auch so eingetragen. Was der VfGH aber auf jeden Fall als richtig erkannt hat ist, dass eine Fremdzuschreibung des Geschlechts unzulässig ist, und die wurde hier von der BG vorgenommen.
Da privatwirtschaftlich tätige Unternehmen laut der Stellungnahme nicht unmittelbar an die Grundrechte nach Art. 8 EMRK gebunden sind, müsste man der ÖBB ein Ermessen zugestehen, welche Einträge sie für mich zulassen müssen. Absehen davon, dass Grundrechte auch für privatrechtlich organisierte Unternehmen gelten, ist die Rail Equipment GmbH & Co KG dem Sektor Staat zuzuordnen (da sie zu 100% im Eigentum der ÖBB Infrastruktur AG steht, welche zu 100% von der Österreichische Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaft gehalten wird, welche wiederum zu 100% dem Bund gehört). Siehe hierzu auch die Aussage der ÖBB selbst. “Der ÖBB-Konzern AG zählt gemäß EURstat-Kriterien zum Sektor Staat”. Würde man dieser Argumentation folgen, könnte sich der Staat sämtlicher seiner Pflichten entledigen, wenn er alle seine Stellen als Rechtsformen des Privatrechts ausgestaltet (wie z.B. eben die ÖBB, das Umweltbundesamt die RTR, die ASFiNAG oder das BRZ, …). Auch kann sich ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen nicht über geltende Gesetze hinwegsetzen, wie hier über mein Recht auf Datenwahrheit.
Würde man meiner Argumentation folgen (dass nur die Verwendung des Wortlautes aus dem Personenstandsregister richtig ist), so könnte man auch nicht “feminin” statt “weiblich” eintragen. Es wäre daher rechtlich in Ordnung, dass man auch Synonyme für den Eintrag zulässt, und damit wäre mein Eintrag nicht unrichtig. Wie die ÖBB hier richtig anführen, ist für eine Person, deren Eintrag im Personenstandsregister “weiblich” lautet, der Geschlechtseintrag “feminin” in der Datenbank ebenso nicht korrekt (diese Wörter sind auch im allgemeinen Sprachgebrauch keine Synonyme, da dies ja anscheinend eine entscheidende Rolle spielen soll). Dass nur der Wortlaut des Eintrages im Personenstandsregister korrekt ist, ist zutreffend. Würde das System der ÖBB jeden Buchstabe des Alphabetes nur einmal im Namen zulassen, und mein Nachname müsste daher auf “Pfeir” lauten, wäre er auch unrichtig. Die Eintragung von Synonymen mag zulässig sein, was ich generell anzweifle, “unbekannt” ist aber keinesfalls, weder in der Bedeutung des Wortes, noch im allgemeinen Sprachgebrauch, ein Synonym für “divers”, siehe dazu auch z.B. die Definition der Wörter im aktuellen Duden, für “unbekannt” wäre diese: “jemanden nicht, niemanden bekannt” und für “divers” “abweichend, verschieden”. Ich kenne auch keine einzige Person, die diese Wörter als Synonyme verwendet, weder bezogen auf das Geschlecht, noch in irgendwelchen anderen Situationen. Mein Geschlecht ist keineswegs “unbekannt”, es ist eben “divers”.